Der Wormaldia-Aedeagus

Im Gegensatz zu vielen anderen Trichoptera-Arten, deren Aedeagusstrukturen aus mehr oder weniger stark sklerotisierten und deshalb formstabilen Strukturen besteht, die bei der Paarung lediglich mehr oder weniger stark ausgestreckt und in die Vaginalöffnung der Weibchen eingeführt werden, besteht der Wormaldia-Aedeagus aus einem nach innen in die Abdominalsegmente 9, 8 und 7 gerollten Schlauch, der während der Paarung durch die Erhöhung des Körperinnendrucks bzw. des Drucks in der Evaginationsröhre in die Vaginalöffnung des Weibchens hineingestülpt wird. Dies bedeutet

  1. im Ruhezustand befindet sich der Aedeagus komplett im Körperinneren,
  2. die Dornen und Stachelgruppen sind im Ruhezustand im Körperinneren in umgekehrter Reihenfolge angeordnet wie in ausgestülptem Zustand
  3. die Identifizierung der Dornen- und Stachelgruppen in Zwischenstadien ist sehr schwierig.

 

Abb 1: Schematische Darstellung der Aedeagus-Evagination bei Wormaldia sp.
(1 Aedeagus in Ruhezustand im Abdomen; 2 Aedeagus im Ruhezustand, Druckerhöhung in der Evaginationsröhre; 3 Beginn der Ausstülpung;  4 fortgeschrittene Ausstülpung;  5 Aedeagus fast gänzlich ausgestülpt;  6 Endzustand)

 

 

Je nach Zustand des Aedeagus beim Fang und Art der Präparation kann fast jeder der oben beschriebenen Zustände des Aedeagus bei der Untersuchung eines Wormaldia-Männchens festgestellt werden, wobei die Stadien 2 und 3 am häufigsten angetroffen werden. Wie gewaltig der Aedeagus in komplett ausgestülptem Zustand sein kann, verdeutlich das nachfolgende Foto.

 

Abb 04 Wormaldia hellenica MNE Velo Ibra-Foto1

Abb. 2  Foto eines nahezu komplett evaginierten Aedeagus von Wormaldia hellenica JACQUEMART, 1962

 

 

Bedornung des Aedeagus

Um die Diagnose der Aedeagus-Bedornung zu erleichtern ist es erforderlich, die einzelnen am Aedeagus auftretenden Merkmale in Gruppen und Einzelmerkmale einzuteilen und zu beschreiben. Hierbei wird vom Ruhezustand ausgegangen, der am häufigsten anzutreffen ist, d. h. im nachfolgenden Schema befindet sich die Aedeagusspitze links, zumal die Dornen und Stacheln auch im Ruhezustand (siehe Abb. 1 - 1) überwiegend zum Körperende zeigen.

 

Abb 05 Wormaldia Aedeagus Bedornung Schema 601

Abb. 3  Aedeagus-Bedornung schematisch

 

Methodik

Die Aedeagusstrukturen können, sofern der Aedeagus nicht bereits ausgestülpt ist, nach folgender Methode erkennbar gemacht werden:

Das Abdomen komplett abtrennen und ca. 10 - 15 min in 10 %iger Kalilauge oder in Milchsäure bei ca. 50° C mazerieren. Danach das Abdomen in destilliertes Wasser überführen und solange wässern, bis das Innere klar und dünnflüssig ist. Bei schon lange konservierten Exemplaren eventuell erneut mazerieren und wieder wässern.

 

Direkte Betrachtung des Ergebnisses

Sollte das Innere des Abdomens klar sein, können die Aedeagusstrukturen unter dem Binokular bei maximaler Vergrößerung betrachtet und  angeschaut werden. Oft genügt dies zur Analyse der Aedeagus-Bedornung. Zeigt sich der Aedeagus ansatzweise unter dem Segment X, kann mit einer Pinzette die proximale Öffnung des Abdomens geschlossen und mit einer weiteren Pinzette ein rascher Druck auf die Mitte des Abdomens ausgeübt werden. Sofern das Epithel des Abdomens nicht geschädigt ist, wird der Aedeagus durch den erhöhten Innendruck proximal weiter ausgestülpt, in seltenen Fällen wird er komplett evaginiert.

 

Betrachtung des Aedeagus unter dem Mikroskop

Sind Strukturen verdeckt, kann versucht werden, einen halb ausgestülpten Aedeagus mit feiner Pinzette nach distal herauszuziehen. Steckt er noch komplett im Abdomen, kann das Abdomen zwischen Segment VII und VIII ventral mit der Präpariernadel geöffnet und die komplette Evaginationsröhre samt Aedeagus nach innen herausgezogen werden. Der Aedeagus ist anschließend zunächst in Ethanol und danach in einen Tropfen Glyzerin auf einem Objektträger zu überführen und kann nach Abdeckung mit einem Deckglas unter dem Mikroskop betrachtet werden.

 

Zum Bestimmungsschlüssel

 

Zu den Tafeln mit Bestimmungsmerkmalen

 

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